„Das ist es ja grade. Ich glaube nicht, dass ich überhaupt lieben kann. Ich denke, dass ich es irgendwie nicht schaffe. Ich, naja, du weißt, es ist immer so gewesen.“
„Ich weiß nur, dass du mich immer sehr lieb hattest.“
„Das ist was anderes. Du bist mein Bruder und außerdem, ich hab dich lieb, weil du mich immer akzeptiert hast mit allen Fehlern und Schwächen.“
„Weil ich ein solcher Heiliger bin? Klingt doch gut ‚Der heilige Dane‘. Ach Jussy, du hast immer gewusst, dass ich das Lieblingskind war. Dafür hätte mich manch andere Schwester gehasst, aber du hast mich immer lieb behalten.“
„Worauf willst du damit hinaus?“
„Ich wollte es nie hören, wenn du sagtest, Mom würde dich nicht lieben. Ich hab dir immer gesagt, wenn
du dich ein bisschen bemühen würdest, würde alles gut werden. Denn ich konnte den Gedanken nicht ertragen, Mom könnte lieblos zu dir sein und dass ich dir einen Teil ihrer Liebe weggenommen habe. Doch die Wahrheit ist: Mom hat dich nicht so geliebt, wie sie es hätte sollen. Sie hat dir nicht die Liebe gegeben, die du gebraucht hättest. Sie leidet sicher selber sehr darunter. Es ist nicht so,
dass du nicht lieben kannst, du hast nur das Gefühl, dass du es nicht wert bist, geliebt zu werden, aber du bist es. Du bist es.“
Wir sind sterblich, wo wir lieblos sind, unsterblich, wo wir lieben.
Durch die Eltern spricht die Natur zuerst zu den Kindern. Wehe den armen Geschöpfen, wenn diese erste Sprache kalt und lieblos ist!
Bei vielen Frauen leben Religion und Sittlichkeit jedes für sich. Sie würden sich's nie vergeben, falls sie katholisch sind, die Osterbeichte zu versäumen; sie schelten über alle, die ungläubig sind; aber nichts in ihnen hält sie ab, die Mitmenschen lieblos zu verdammen und gegen Niedrigstehende hart und hochmütig zu sein. Ein Beweis, daß ihr Gott ein Schatten, ihre Religion ein
eingebildetes Spiel ist.